Ein Nachruf...

...auf Aegir !

Die "Aegir" könnte man auch sagen.
Benannt nach ihrer großen, baltischen Nachbarin.
"Aegir" hat weniger wie eine reale Person gelebt, als vielmehr lange Jahre Leben in sich getragen. Familienleben um genau zu sein.
"Haus Aegir" an der Strandpromenade 1, war lange Zeit das Zuhause meiner bereits seit langem verstorbenen Oma. Aber auch jedes ihrer Kinder ist dort aufgewachsen und hat die ersten Jahre in eigener Familie dort gelebt.
Somit auch ich...wenn auch nur 5 Jahre, mit meinem Bruder und meinen Eltern.
Aber auch nachdem wir auf die andere Straßenseite gezogen sind, habe ich die meiste Zeit in, hinter und "unter" Aegir verbracht.
Die einst prachtvoll erbaute Villa, gehörte als Perle in das Glied einer Kette aufgereihter weißer Villen entlang der Ostseeküste, im damals noch herrschaftlichen Seebad Bansin.
Zu Zeiten der DDR, wurden Balkone sowie Schmuckelemente der Fassade entnommen. Dadurch wurde "Aegir" zu einem etwas schlichteren Gebäude in erster Reihe.
Nach vielen weiteren Jahren und ohne richtige Leitung, wurden Holzverschläge angebaut,riesige von Brauereien gesponserte Sonnenschirmen aufgestellt und dem Verfall seinen Lauf gelassen.
Dieser Nachruf ist eine Herzensangelegenheit.

Ich erinnere mich noch an lebhafte Zeiten in diesem Haus. An spannende Abenteuer im gruseligen Keller, an sonnige Stunden auf der Treppe von der Küche zum Hinterhof und an Kurkonzerte auf der Couch in der Veranda gen Konzertmuschel.
Meine Oma machte mich in diesem Haus mit Erich Kästners "Nesthäkchen" bekannt und lies mich "Ein Kessel Buntes" bis zur späten Abendstunde mit anschauen.
Ich habe Friseur für die alten Damen gespielt und im Hinterhof nach kleinen silbernen Sternchen gesucht.
Dort liegt (vermutlich nicht mehr) mein erster Hamster begraben. Mit den Kindern des Hauses bin ich nur zu gern zu Frau Wunder ins 1. Obergeschoss gedackelt, um die unzähligen Katzen zu streicheln und jedes Mal eine Süßigkeit ab zugreifen.
Im Winter wurde ich zur Nacht in Unterdecke, Federbett, Steppdecke,Mütze und Handschuhe gesteckt.
Ich hatte dort eine wirklich schöne und unbeschwerte Kindheit. Ich konnte nach der Schule und dem Mittagessen im Sommer direkt an den 20m entfernten Strand laufen. In jedem Geschoss hatte ich eine Freundin zum Spielen und meine Tierposter aus der Apotheken-Umschau, durfte ich im Flur aufhängen.

Haus "Aegir" war zuletzt wirklich nicht mehr schön anzusehen. Ich bin auch stark dafür, dass Bansin promenadenseitig nicht nur an dieser Stelle ein neues Antlitz erhält.
Dass nun ausgerechnet ein sylter Investor sich als "Ritter in weißer Rüstung" erweist, behagt mir weniger. Jedoch bin ich nach einer Referenz aus Binz guter Dinge.
Auch wenn Usedom KEIN Gosch-Sylt-Restaurant benötigt, kann es vermutlich nur besser werden. Bansin als kleinstes der drei Kaiserbäder, wurde in den letzten Jahren entlang der Promenade mehr als stiefmütterlich behandelt und hat eine Schönheitskur wirklich verdient.
Auch wenn die Bilder des Abrisses etwas schmerzen, bin ich schon gespannt auf das Gebäude, das in Aegirs Fußstapfen treten möchte.









 Ruhe in Frieden liebe "Aegir". Die schönen Zeiten bleiben stets in schönster Kindheitserinnerung.
Jetzt heißt es, auf zu neuen Ufern.

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